
Pachamamas letztes Geschenk an mich
Vielleicht habt ihr im letzten Beitrag von Sabrina bereits gelesen, dass Pachamama uns nicht so leicht loslassen wollte. Der idyllische Platz den wir nun seit einigen Wochen bewohnt haben, ist durch den Regen der letzten Tage weich geworden und hat eines der Hinterräder förmlich eingesaugt, als ich versuchte, das Gelände zu verlassen.
Mit 3,5 Tonnen, einem versenkten Hinterrad, leicht bergauf auf nassem Gras anfahren und das mit Frontantrieb ist total aussichtslos. Und so steckten wir fest. Sabrina ist noch anderweitig eingebunden und "muss" mich daher mit Momo (dem Womo) allein lassen.
Mein Kopf ist sofort in einem komplexen Lösungs-Findungs-Modus. Umgebung checken, was habe ich zur Verfügung. Ein Baum in der Nähe, super! Irgendwo gab es doch einen Flaschenzug. Wo war der noch? Altes Haus, Dachboden, alles klar! Schubkarre suchen, einsammeln und ab zum alten Haus, im Laufschritt denn es wird schon langsam dunkel. Der Flaschenzug aus massivem Metall hängt ganz oben im Dachboden. Ich kürze hier mal ab, es war scheiße schwer, den da allein runter zu holen.
Flaschenzug an den Baum, Kette ganz abrollen und am Womo befestigen. Scheiße, zu kurz. Ich bin noch immer sehr wach und auch irgendwie in meinem Element doch werde auch langsam etwas unruhig. Es fehlen gut 2 Meter Kette. Ich improvisiere etwas mit einem ungenutzten massiven Zaunfeld. Ich kürze auch hier ab. Ich habe noch eine Weile intensiv mit der Herausforderung gerungen und plötzlich steht Dhiraj (unser Gastgeber) neben mir und jagt mir einen scheiß Schreck ein. Ich habe ihn nicht kommen hören und gerade sein Zaunfeld zerstört.
Er schaut sich die Situation an, sagt mir ganz ruhig, dass ich die Utensilien abbauen kann und Hilfe auf dem Weg ist. Sabrina hat, bevor sie aufgebrochen ist, mit ihm gesprochen und die Situation beschrieben. Dhiraj hat einen Nachbarn mit Traktor ausfindig gemacht und der ist bereits auf dem Weg zu uns.
Es stellte sich recht schnell heraus, dass wir genau diesem Nachbarn kürzlich bei der Übersetzung von wichtigen Behördenunterlagen geholfen haben.
Es dauert nicht lange und ich hänge mit unserer 3,5 Tonnen Wohnung an einer kurzen Kette hinter einem Traktor. Dhiraj, der Mann auf dem Traktor und ein weiterer Freund der Familie sehen alle samt so aus, als würden sie so etwas täglich machen. Okay, ich hab so etwas noch nie gemacht aber komm, das lasse ich mir einfach nicht anmerken. Macht man ja so unter Männern. Es zieht, es knarrt, es ist laut, ich habe echt Angst um Momo und alle Augen sind auf mich gerichtet. Mein gesamtes System läuft auf Hochtouren, ich fühle mich wie in der Schule vor einer Klassenarbeit auf die ich nicht vorbereitet bin und ein Teil in mir wird ganz ganz klein.
Wir bewegen uns ein gutes Stück und plötzlich reißt die Kette. Ich bin zu nah aufgefahren, was dann wiederum zu einem abrupten Ruck führte. Es ist mir peinlich und die Reaktion von außen triggert mich zusätzlich. Ich bin wieder ein kleiner Junge, der das Gefühl vermittelt bekommt, etwas falsch gemacht zu haben und tief im Innern doch weiß, ich habe mein Bestes gegeben. Die ganze Aktion dauert vielleicht 15 Minuten und dann ist Momo wieder frei und auf solidem Asphalt. Es folgt ein kurzer Smalltalk unter Männern, alle sprechen zufällig deutsch, ich bedanke mich überschwänglich bei meinem Retter und reiche ihm 20 Euro. Er schaut mich irritiert an und lehnt das Geld mit den Worten „nix Danke“ ab. Eine Hand wäscht hier die Andere… ich bin berührt!
Etwa eine Stunde später, sitze ich mit Sabrina im Womo und wir tauschen uns über den Abend aus. Mir fällt auf, dass ich nicht nach Hilfe gefragt und auch kaum darüber nachgedacht habe. Und mir wird sehr deutlich klar, wie unglaublich schwer es mir fällt, um Hilfe zu bitten.
Ich bin so so gerne für Andere da und freue mich, wenn ich helfen kann. Ich hingegen kann alles alleine. Eine Spülmaschine ohne Aufzug alleine in die 4 Etage tragen, kein Ding! Einen 3,5-Tonner alleine aus einem Loch ziehen, kein Ding! Wo kommt das her? Warum is das so scheiße schwer für mich? Stop! Es ist Zeit für etwas Neues! Etwas Lebendiges! Ich fange JETZT damit an, dazu zu stehen, wenn ich Hilfe brauche und sehe dies als Größe an.
Mein gesamter Körper steht noch den Rest des Abends unter Strom. Es fühlt sich gut, ich bin am Leben…
Danke Pachamama für dieses Geschenk. Aus dem Schatten ins Licht. Ich kann nicht ALLES alleine machen und bin Dankbar für Hilfe.
01. December 2021
Robert- jiepiehjej…!!! Sooooo sehr freut es mich zu lesen, dass diese Erfahrung der liebevolle Tritt in deinen Ar…war ;), um JA sagen zu können zu Hilfe annehmen - es jubelt in mir mir, weil es ja auch eine meiner größten Herausforderungen ist …ich war ja auch immer die Große, die alles alleene stemmt und braucht lange, um meine Grenzen zu akzeptieren und zu empfangen, was alles möglich ist, wenn auch ich mal sage: Hej, das ist grade schwer für mich, da brauche ich Unterstützung! So sehr mein Herz und meine Arme immer offen sind für Andere, so offene Arme & Herzen erlebe ich ebenso, wenn ich mich ganz authentisch zeige! Ja, toll auf jeden Fall,‘dass die Sache zu gut aus ging- wieder Mal ein Zeichen von der Power der Gemeinschaft!!!
Bis bald, HerzgrussKussUmarmung von Susa